Der Film Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken versucht eine filmische Umsetzung der Aufzeichnungen eines Nervenkranken. Die Vorstellungen und Visionen von Daniel Paul Schreber bilden ein in sich logisches, durchdachtes, so besehen absolutes System. Schreber war einer der berühmtesten Patienten Sigmund Freuds und der Sohn des Erfinders der Schrebergärten. Er hatte die exhibitionistische Neigung als Richter sein Seelenleben zu veröffentlichen.
1988 starb Ernst Schmidt jr., der wohl eigenwilligste Filmemacher unter Österreichs Filmavantgardisten. Vor seinem Tod arbeitete er an der filmischen Umsetzung der “Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken”, der um die Jahrhundertwende entstandenen kuriosen Auto-Krankengeschichte des berühmten Paranoikers Dr. Daniel Paul Schreber (Sohn des Namensgebers der Schrebergärten). Das Projekt drohte unvollendet zu bleiben, also setzten die Regissseure Peter Tscherkassy und Susanne Praglowsky – unterstützt von Kurt Kren, Mara Matuschka, Lisl Ponger, Sabine Groschup, Renate Kordon und Bady Minck die Arbeit fort. So entstand der dreiteilige, insgesamt etwa eineinhalbstündige 16-mm-Film “Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken”.
“Das Wahnsystem des Patienten gipfelt darin, dass er berufen sei, die Welt zu erlösen und der Menschheit die verloren gegangene Seligkeit wiederzubringen. Er sei, so behauptet er, zu dieser Aufgabe gekommen durch unmittelbare göttliche Eingebungen (…); gerade aufgeregtere Nerven, wie es die seinigen lange Zeit hindurch gewesen seien, hätten nämlich die Eigenschaft, anziehend auf Gott zu wirken, es handle sich dabei aber um Dinge, die sich enweder gar nicht oder doch nur sehr schwer in menschlicher Sprache ausdrücken lassen (…) Das wesentliche bei seiner erlösenden Mission sei, dass zunächst seine Verwandlung zum Weibe zu erfolgen habe (…) Er habe das Gefühl, dass bereits massenhafte weibliche Nerven in seinen Körper übergegangen seien, aus denen durch unmittelbare Befruchtung Gottes neue Menschen hervorgehen würden”.
So begutachtete 1899 ein Leipziger Psychiater seinen Patienten Dr. Daniel Paul Schreber. Dieser, entmündigt und zwangspsychiatrisiert, kämpfte (mit Erfolg, wie sich herausstellen sollte) um seine Befreiung, indem er seine Krankengeschichte aus seiner Sicht selbst verfasste. Dieser Bericht erschien 1903 als Buch mit dem Titel “Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken”.
Paranoiker Schreber war aus zwei Gründen nicht in Vergessenheit geraten. Erstens war er der Sohn des Namensgebers der Schrebergärten; zweitens widmete ihm Sigmund Freud die Arbeit “Psychoanalytische Bemerkungen über einen autobigraphisch beschriebenen Fall von Paranoia”. Für Freud war das Buch Dr. Schrebers ein Glücksfall, denn, so stellte er fest: “Die psychoanalytische Untersuchung der Paranoia wäre überhaupt unmöglich, wenn die Kranken nicht die Eigentümlichkeit besäßen, gerade das zu verraten, was die anderen Neurotiker als Geheimnis verbergen”. Sigmund
Freud stellte die Paranoia in den Zusammenhang mit verdrängter Homosexualität.