MappaMundi – Ein Gespräch von Karin Schiefer mit Bady Minck
Seit dem Durchbruch des digitalen Zeitalters, seit sich Migrationsbewegungen in den letzen Jahren intensivieren, wird ständig von einer Gesellschaft im Umbruch, von einer Zeitenwende gesprochen. War es diese Diskussion über den Wandel, als wäre zuvor alles in Ruhe und Stabilität gewesen, die den Denkanstoß für MappaMundi geliefert hat, um den aktuellen Moment unseres Daseins in seiner Relativität und die Bewegtheit unseres Planeten im Universum zu betrachten?
BADY MINCK: Diese Diskussionen lieferten nicht den Anstoß, aber gewiss eine Bestärkung. Es stimmt, dass zur Zeit der Wandel auffällt; einerseits die Migrationsbewegungen, andererseits der Wandel im Weltverständnis, den das Internet mit sich bringt. Mich hat aber besonders die Beschäftigung mit den Dimensionen interessiert – ein Fetischthema von mir. Das Spiel mit den Dimensionen: die Fläche, der Raum und die Zeit. Ein Thema, das in meinen Arbeiten immer wiederkehrt und das in MappaMundi kulminiert. In Der Mensch mit den modernen Nerven faszinierten mich schon die mit wenigen Strichen gezeichneten Pläne von Adolf Loos, die ein Rathaus in Mexico City vorgesehen haben, um das herum sich eine Stadt mit einem ganzen Straßennetz entwickelte. Vielleicht kommt es daher, dass ich Bildhauerei studiert habe und daher meine Herausforderung in Fragen liegt wie „Wie komme ich aus einer flachen Zeichnung in den Raum und wie kommt der Raum in Bewegung? Oder auch umgekehrt, wenn ich an Im Anfang war der Blick denke: Da ging ich der Frage nach wie österreichische Postkarten ihr eigenes Land darstellen, und was bei diesem, auf eine flache Postkarte gezwängten Österreichbild verloren geht. Als ich mit diesem Film fertig war, der sich mit einem so begrenzten Rahmen wie dem einer Postkarte, wo immer alles auf Idylle getrimmt ist, auseinandersetzt, begann der Gedanke in mir zu arbeiten, dass ich mein künstlerisches Grundthema in einem weiter gefassten Rahmen betrachten und mich auch geopolitisch einer größeren Herausforderung stellen wollte. So kam ich von der Postkarte auf die Weltkarte.
Dieser ikonographischen Frage nach der Darstellung der Welt im Zuge der Geschichte der Menschheit mussten Sie sich sowohl in inhaltlicher als auch in formaler Hinsicht stellen.
BADY MINCK: Ich fragte mich, was es brauchte, damit wir Menschen einen gerechten Blick auf die Welt werfen? Zunächst recherchierte ich nach historischen Weltkarten und entdeckte eine unheimliche Diversität, einerseits im historischen Verlauf, andererseits aus den verschiedenen geographischen Blickwinkeln heraus. Daraus ergab sich für mich die Notwendigkeit eines Blicks von „außen“. Woher konnte ein erfrischender Blick von außen kommen? Von keinem Kontinenten. Nein, er musste aus dem Kosmos kommen. Daher wandert mein Blick ins Weltall hinaus und kosmische Kartographen und Kartographinnen als Figuren im Film helfen mir, diesen Blick zu etablieren. Die Recherche machte mir bewusst, wie sehr im Weltall alles permanent in Bewegung ist. Bewegung ist das Prinzip unseres Kosmos, unserer ganzen Weltordnung, egal, ob wir vom Kontinentaldrift sprechen oder von den Migrationsbewegungen. Selbst wenn wir jetzt die ultimative Weltkarte, die alles erfasst hat, zur Verfügung hätten, müsste diese alle 500 Jahre erneuert werden, weil die Erdplatten sich weiterbewegen, die Konstellationen also immer anders sind. Nicht nur das Weltall beruht auf dem Prinzip des permanenten Wandels, auch unser Planet und auch unser eigener Körper. Umso absurder erscheint die aktuelle politische Diskussion ums Grenzen-Ziehen und Migration-Stoppen. Der Homo Sapiens hätte nicht überlebt, hätte er sich nicht immer auf die Suche nach der idealen Situation, nach den bestmöglichen Lebensbedingungen begeben. Diese Erkenntnis möchte ich subkutan mitschwingen lassen.
MappaMundi mutet so unheimlich komplex an, was die Recherche, aber auch die technische Ebene – die Animation, dann die Ton- und die Textebene betrifft. Haben Sie in einer sehr frühen Projektphase begonnen, ein Team zu formen?
BADY MINCK: Das Thema ist so gigantisch, dass man 100 Filme daraus entwickeln könnte. Daher musste ich mich selbst auf Recherche begeben, um einen Einblick zu erlangen und zu filtern, was in den Film passen könnte. Ich habe mich die ersten zwei Jahre allein durchs Dickicht geschlagen, um einen Weg zu bahnen. Dann erst konnte ich mir Leute zur Hilfe nehmen. Mit Eni Brandner, die schon seit Im Anfang war der Blick mit mir arbeitet, habe ich das Animatic, also eine Art bewegter Skizze gemacht, mit der man ein Gefühl für die Bewegung, die Länge etc. bekommt. Für einen Film, der sich dem Prinzip der permanenten Veränderung widmet, ist dies eine unerlässliche Grundlage. Drehbuch oder Storyboard wären da zuwenig gewesen.
Wie hat sich Ihnen diese Welt der Weltkarten eröffnet?
BADY MINCK: Ich begann mit den allerältersten Darstellungen, weil sie die Wurzel repräsentieren. Dann arbeitete ich mich chronologisch in unsere Zeit herauf. Die christlichen Karten haben sich immer aufgedrängt, weil sie in Unmengen zur Verfügung standen. Ich wollte natürlich auch islamische und asiatische Karten. Letztere zu finden, war extrem schwierig. Zu Beginn gab es noch wenig, was im Internet frei verfügbar war, dazu musste man Chinesisch lesen können. Ich habe dann in der Österreichischen Nationalbibliothek gemeinsam mit Eni Brandner die 21 Bände der Bibel der Kartographie – „The History of Cartography“ von Harley & Woodward – durchgeackert. In diesen akademischen Referenzwerken geht allerdings niemand das Risiko ein, das Datum der Karten festzulegen. Also mussten wir erst recht weiter recherchieren. Bei den sehr alten Karten musste ich in unzähligen Büchern wühlen, um auf Daten zu stoßen. Manchmal war die Trivialliteratur hilfreicher, weil sich da eher jemand traute, eine Datierung zu behaupten. Das Einengen dieses Wusts an Material war ein großer Brocken Arbeit. Um Ordnung hineinzubringen, haben wir uns eine digitale Datenbank der frühen Weltkarten angelegt. Soweit ich mich erinnere hatten wir um die 1500 Karten versammelt, etwa 100 davon haben Eingang in den Film gefunden. Nach den Ägyptern und Babyloniern haben die Griechen nicht nur die Philosophie, sondern auch die Kartographie sehr weit und tiefgehend betrieben. Bei den Römern waren die Karten vom Philosophischen her viel weniger ambitioniert, sondern mehr utilitaristisch für Militär- und Handelszwecke erstellt. Das griechische Wissen schlummerte in einigen wenigen Bibliotheken und erst die Muslime haben das reiche kartographische Wissen der Griechen wieder aufgriffen und weiterentwickelt. Die Christen legten vor allem darauf wert, dass die Karten den Behauptungen der Bibel entsprachen. Es wurde nicht mehr aufgeklärt, sondern verklärt. Christliche Karten sind sehr ideologisch beeinflusst, ganz im Gegensatz zu den islamischen. Die islamische Religion war zu jener Zeit viel offener als die christliche. In der Bibel stand nichts davon geschrieben, dass wir Kontinente hatten, dass die Erde rund sei. Und ihr durfte nicht widersprochen werden.
Warum war die Kartographie so stark religiös besetzt?
BADY MINCK: Diese Frage stellte ich mir auch. Es konnte ja nicht nur Widerstand gegen die Aufklärung der Menschen sein. In MappaMundi gibt es zum Beispiel eine christliche Psalterkarte aus dem Jahr 1265, die die Erde als den Leib Christi zeigt und Jerusalem als seinen Nabel. Das mag ein Hinweis darauf sein, dass die christliche Lehre die Erde nicht nur als Gottes Schöpfung, sondern im übertragenen Sinn sogar als seinen Leib gesehen hat. Die asiatische Herangehensweise an die Kartographie war eine ganz andere. Sie machte keine Trennung zwischen materieller und immaterieller Welt. Asiatische Karten sind daher so grundlegend anders. Es sind eigentlich Mandalas. Eine Ausnahme bilden die chinesischen Karten, die auch territoriale Karten sind, wobei China auf den Weltkarten immer einen überdimensionalen Raum einnahm. Egal, um welchen Ansatz es sich handelt, jeder fokussierte auf das eigene Zentrum: bei den Christen war es Jerusalem, bei den Muslimen Mekka, bei den Chinesen das Reich der Mitte, also China.
Ab wann gibt es einen globalen Konsens über die Darstellung der Erde?
BADY MINCK: Lässt man Australien, Grönland und die Territorien an den „Rändern“ weg, dann würde ich sagen, man kann ab dem 17. Jahrhundert von einem Konsens sprechen. Den wissenschaftlich unangreifbaren Blick auf die Welt gibt es ja noch immer nicht. Selbst die Satellitenkarte ist nur eine Konstruktion. Auch sie ist eine Collage aus tausenden Fotos. Bei der Zusammenstellung der Fotos muss jedes Foto gebogen und beschnitten werden und somit ist es wieder eine subjektive Entscheidung zugunsten des einen oder anderen, und somit minimal verfälscht. Es ist noch immer kein Mittel gefunden, die Erde eindeutig „korrekt“ darzustellen. Auch Google Earth kann das nicht.
MappaMundi vereint einen philosophischen Ansatz mit einem wissenschaftlichen, einen poetischen mit dem kinematographischen. Wie hat MappaMundi im Kräftefeld dieser Pole zu seiner Form gefunden?
BADY MINCK: Das kommt ganz automatisch. Ich habe mir als Herausforderung ein sehr kompliziertes Thema gesucht, die Herangehensweise drängt sich durch das Thema auf. Die essentielle Fragestellung, der ich nachging, war: „Wie kann ich einen geopolitisch möglichst unbeeinflussten Blick auf den Planeten Erde erreichen?“ Diese Fragestellung hat es mir nicht gerade erleichtert, MappaMundi zu finanzieren, weil die Science-Fiction-Perspektive, die ich mit dem dokumentarischen Inhalt verband, teilweise auf Unverständnis gestoßen ist. Für mich hätte das ganze Projekt aber keinen Sinn gemacht, wenn nicht dieser „neutrale“ Blick aus dem Weltall im Mittelpunkt gestanden wäre. Die Erde ist ja nur ein kleines Rädchen im Weltall. Das Weltall ist das Prinzip, in dem wir leben. Wieso sollte dieser Blick aus dem Weltall nicht angebracht sein? Ich sah da kein ideologisches Problem.
Irgendwann müssen die religiös determinierten Darstellungen des Planeten, von den Karten der Seefahrer abgelöst worden sein …
BADY MINCK: Ja, bis zu den Seefahrern ist es ideologisch geprägt. Dann kommt die Renaissance: der Mensch, befreit sich von den Ideologien, strebt nach Entdeckung, fährt mit seinem Schiff aus, um selbst die Küstenlinien zu erforschen und zu vermessen. Damals entstanden die Portolane – Navigationskarten, die nur die Küstenlinien aufzeichneten; nach und nach entdeckten die Seefahrer die Kontinente. 1420 hat ein chinesisches Schiff das Kap der Guten Hoffnung umschifft, das bis dahin als unumschiffbar galt. China hat in der Ming-Dynastie große Summen für Expeditionen, die bis Afrika oder möglicherweise sogar bis nach Kalifornien reichten, ausgegeben. Sie haben nachher alles zerstört – Karten, Aufzeichnungen. Für den Film bedeutete das, dass ich oft lange Spuren verfolgte, plötzlich stellte sich heraus, dass ich sie wieder aufgegeben musste, weil es wissenschaftlich zu unsicher war und dem Film seine Seriosität genommen hätte. So fielen oft wesentliche Elemente aus dem Film und es stimmte dann wieder vieles andere nicht mehr. Das Konstrukt von MappaMundi war das eines Kartenhauses, wo jede Karte stabil sein musste, damit nicht das ganze Haus einstürzte, weil eine der Karten als Säule benutzt worden war. Die asiatischen Karten erwiesen sich da als besonders schwierig. Ich hätte gerne mit Kartographen aus China zusammengearbeitet, leider ist dies aber nicht gelungen.
Der Titel Ihres Films Im Anfang war der Blick weist schon auf die Suche nach etwas Ursprünglichem und auf einen Umgang mit der Zeit hin; MappaMundi ist ein Zeugnis der Landnahme des Planeten durch den Homo Sapiens und eine Reise durch das Erdzeitalter. Wie sehr beschäftigt Sie auch der Umgang mit dem Faktor Zeit?
BADY MINCK: Das Element der Zeit zieht sich durch alle meine Filme. Indem man die Zeit dehnt und dann wieder rafft, kann man so viel herausfinden. Man muss nur die Zeit im Film anders behandeln und schon hat man einen stärkeren Überblick über die Welt. Ich werde nie wieder eine so große Zeitskala in einem meiner Filme abdecken. 750 Millionen Jahre in die Vergangenheit, 250 Millionen Jahre in die Zukunft: in MappaMundi erlebt man eine Milliarde Jahre. Als Zuschauer hat man das Gefühl, als eines der Besatzungsmitglieder des Raumschiffs diese Reise durch Millionen von Jahren zu unternehmen. Dabei wird einem bewusst, wie kurz das Homo Sapiens-Leben auf der Erde ist und vor allem, wie kurz ein Menschenleben dauert. Diese unterschiedlichen Gewichtungen spürbar zu machen, ist mir wichtig. Es geht mir auch um die Konfrontation gegensätzlicher Elemente. In Im Anfang war der Blick habe ich mit Bodo Hell einen Menschen aus der Wortwelt gesucht, den ich in die Bilderwelt werfen wollte, um zu sehen, was das ergibt. In MappaMundi werden die kosmischen Kartographen mit unserer Welt konfrontiert und ich hoffe, dass ihr Blick es uns ermöglicht, unsere Erde mit einem neuen Blick zu sehen. In MappaMundi ist die Gegenwart kaum spürbar, weil sie nur ganz kurz existiert, wenn der Weltallschrott auftaucht und dann ist es schon wieder vorbei.
Ein weiteres konstitutives Element ist die Sprache – das Wort, der Text und auch die Übersetzung (ich denke an die kosmische Sprache zu Beginn, auch Landkarten sind eine Art von Übersetzung) und die nicht-übersetzten Passagen wie die aus der Odyssee, aus Dantes Inferno oder das babylonische Sprachgewirr … Wie wollten Sie Sprache zum Einsatz bringen?
BADY MINCK: Der Text entstand ganz am Schluss. Ich versuchte zunächst einen Film ganz ohne Sprache, da sie das Element ist, das mir am wenigsten liegt. Alles andere geht mir ganz leicht von der Hand, auch wenn MappaMundi eine anstrengende Recherche eingefordert hat. Nur für die textliche Ebene muss ich gedanklich schwitzen, sitzen und zweifeln. Der Film ist ja sehr langsam Schicht für Schicht wie eine Zwiebel entstanden. Eine Herausforderung bestand darin, die vielen technisch aufwendig zu gestaltenden Elemente so zu verbinden, dass am Ende alles wie aus einem Guss aussah. Ich hatte über Jahre hindurch immer wieder wechselndes Testpublikum, notierte die Rückmeldungen, wo etwas nicht verstanden wurde und zog mich dann wieder mit meinem Cutter Frédéric Fichefet oder meiner Cutterin Pia Dumont in den Schneideraum zurück. Schließlich erwies sich die Sprache als unumgänglich. Sie musste dort eine Brücke schlagen, wo auf keine andere Weise Verständnis erzeugt werden konnte. Die literarischen Elemente, die einfließen, sind Dantes Inferno (dazu inspirierte mich ein weiteres Filmprojekt von mir, an dem ich gerade arbeite) und Homers Odyssee ist ja die Beschreibung einer geographischen Situation – der des Mittelmeerraums. Seine Reise erfolgte mit dem Schiff, genau so, wie damals die Kartographen vorgehen mussten, um die Konturen des Festlands zu vermessen. Es ist ja nicht erwiesen, dass es Homer wirklich gegeben hat … der Autor der Odyssee jedenfalls war, auch wenn er sich der Sprache bedient hat, eine Art von Kartograph.
Die Erde wird im Film zur sprechenden Figur, der Science-Fiction-Part ist in einem durchaus ironischen Ton erzählt. Warum war Ihnen der Humor in diesem sachlichen Thema wichtig?
BADY MINCK: Ohne Humor geht es bei mir nicht. Der Humor war schon da, als es noch keine Dialoge gab. Ich denke an die Römer-Karte, die herunterfällt und den griechischen Globus zermalmt oder an Columbus, der vom Krokodil in Mittelamerika ausgespuckt wird. Mit der Erde, die sich als Filmprotagonistin äußert, kam auch der sprachliche Witz dazu. Ich sah das als ein weiteres Mittel des völlig freien Ausdrucks, den ich mir erlauben wollte. Ich gehe ja an den Film nicht heran wie die frühen Christen an die Kartographie, nämlich indem ich mir eine Ideologie baue, in der ich mich dann bewegen muss. Ich wollte mir keinerlei Dogmatik, wie es sie auch im Dokumentarfilm gibt, auferlegen.
War es ein vergnügliches Arbeiten, dank der technologischen Möglichkeiten, einen vielschichtigen, spielerischen Umgang mit dem Thema zu entwickeln?
BADY MINCK: Es war schon ein Vergnügen, erstens an einem so großartigen Thema arbeiten zu können, zweitens mit so talentierten und motivierten Mitstreiter.innen arbeiten zu können. Allerdings haben die knappen Mittel das Vergnügen auch sehr beschnitten. Die Realisierung nahm so viel Zeit in Anspruch, weil ich immer wieder warten musste, bis wieder jemand für mich arbeiten konnte, oder ich Zeit hatte, es selber zu machen. Der Film ist jahrelang vor allem am Wochenende und in der Nacht entstanden. Zweimal kam das Projekt völlig zum Stillstand, in dieser Zeit begann ich ein neues Projekt zu entwickeln: den abendfüllenden Spielfilm mit dem Arbeitstitel „1313 Dante’s Emperor“, für dessen Drehbuch ich bei Sources teilnahm, zu Pitch-Märkten fuhr und von Eurimages einen Development Award gewann. Es wird darin um Dante und Heinrich VII. gehen.
Ein weiteres Universum tut sich in der Tonebene von MappaMundi auf …
BADY MINCK: Gegen Ende des Films hört man die Gesten und Geräusche der kosmischen Kartographen und die Geräusche ihrer Maschinen – sie sind ja mit ihren Computern und Sitzmöbeln verwachsen. Alle ihre Geräusche wurden von Beatboxern erzeugt. Zunächst hatten wir „normale“, digitale Sounddesign-Töne. Ich war mit dieser Tonwelt aber nie glücklich. Das Raumschiff sollte wie ein Walfischbauch oder ein Riesendarm wirken und entsprechend sollte es auch klingen. Zwei Beatboxer, die alle Geräusche mit dem Mund und dem Rachen erzeugen können, haben den gesamten Film dann vertont. Das hat dem Film den Aspekt verliehen, den ich immer gesucht, aber lange nicht gefunden habe – nämlich, dass im Raumschiff alles ein Körper, alles organisch ist, dass es quasi unser Inneres sein könnte, aus dem wir auf die Welt hinausblicken.
Es entsteht überhaupt der Eindruck, dass Sie hier nicht nur eine Arbeit als Filmemacherin, sondern auch als Bildhauerin vorlegen, in der diese Unmenge an Material nach und nach Gestalt annimmt.
BADY MINCK: Ich sehe mich als fiktionale Erzählerin, aber diese Beobachtung hat gewiss ihre Richtigkeit. Und die dritte Dimension – vom Papier in den Raum, die mir so wichtig ist, ist sehr präsent. Bei meinem Professor Bruno Gironcoli mussten wir sehr viel zeichnen, das lag mir auch sehr. Es war ihm wichtiger als die Plastik, denn er erkannte an der Zeichnung, ob jemand plastisch denken konnte. Interessanterweise ist das mein ewiges Filmthema geworden.
… so wie Film ja auch als eine Art von Skulptur betrachtet werden kann.
BADY MINCK: So ist es. Als Skulptur in der Zeit.
Interview: Karin Schiefer
Jänner 2017